Als die Europäische Kommission Anfang letzten Jahres den ergänzenden delegierten Taxonomie-Rechtsakt zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel, der seit 1. 1. 2023 anwendbar ist, vorlegte, gingen die Wogen hoch. Dieser sieht nämlich unter anderem vor, bestimmte Kernenergietätigkeiten als nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie einzustufen. Besonders umstritten ist die Einschätzung, ob bzw. inwiefern durch diese Tätigkeiten ein erheblicher Umweltschaden entsteht, vor allem im Hinblick auf Entsorgung und Endlager. Denn der sogenannte „Do no significant harm“-Grundsatz ist in der Taxonomie verankert und somit im Fokus der EU-Nachhaltigkeit. Allerdings liegen vor allem hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen bei der Entsorgung hoch radioaktiver Abfälle kaum valide wissenschaftliche Analysen vor.

EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das zur Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Tätigkeiten herangezogen werden kann. Zugrunde gelegt werden ambitionierte technische Kriterien. Auch darf kein nachhaltiges Umweltziel erheblich beeinträchtigt werden und muss ein sozialer Mindestschutz vorliegen. ESG-Fonds legen den Anteil der taxonomiebezogenen Veranlagungen offen. Aufgrund mangelnder Daten und der eingeschränkten Anwendbarkeit sind diese Ausweise derzeit im Regelfall null oder geringfügig.

Ziele und Tätigkeitsbereiche der EU-Taxonomie

Das übergeordnete Ziel der EU-Taxonomie ist es, ausreichend Transparenz auf dem Kapitalmarkt zu schaffen, um private Investitionen, die zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 notwendig sind, zu lenken und so die notwendige Dekarbonisierung zu ermöglichen. Die EU-Taxonomie unterscheidet hierbei verschiedene Arten von Tätigkeiten. Unter anderem umfasst sie sogenannte „Übergangstätigkeiten“, also „Tätigkeiten, für die es noch keine technologisch und wirtschaftlich machbaren CO2-armen Alternativen gibt, die aber unter strengen Auflagen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und das Potenzial haben, eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft im Einklang mit den Klimazielen und Verpflichtungen der EU zu spielen, ohne dabei Investitionen in erneuerbare Energien zu verdrängen“(Quelle: Europäische Kommission)

Unter diesen Begriff der Übergangstätigkeiten fallen nun bestimmte Bereiche der Nuklearenergie. Allerdings müssen diese spezifische Bedingungen erfüllen, um als taxonomiekonform zu gelten. Allen voran müssen die Anlagen den Euratom-Vertrag erfüllen und somit höchsten Sicherheitsstandards entsprechen (derzeit sogenannte Reaktoren der Generation III+) sowie über ein Konzept für die Endlagerung ab spätestens 2050 verfügen.

In den Anwendungsbereich der Verordnung fallen zum einen der Bau und der Betrieb neuer Kernkraftwerke (zur Strom- und Wärmeerzeugung), zum anderen die Stromerzeugung aus Kernenergie in bestehenden Anlagen. Letzteres betrifft hauptsächlich Erneuerungsprojekte, welche die Anpassung an moderne Technologien umfassen.

Unter anderem sind folgende Kriterien für Kernenergietätigkeiten vorgesehen, damit diese als nachhaltig im Sinne der EU gelten:

  • Die betreffenden Kernenergietätigkeiten müssen zum Übergang zur Klimaneutralität beitragen.

  • Die Kernenergietätigkeiten müssen die Anforderungen an die nukleare Sicherheit und die Umweltsicherheit erfüllen.

  • Technische Bewertungskriterien sollen sicherstellen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt vermieden wird:

  • Erzeuger von radioaktiven Abfällen müssen die Kosten für deren Entsorgung tragen (Errichtung von Fonds für die Entsorgung radioaktiver Abfälle sowie die Stilllegung kerntechnischer Anlagen).

  • Betriebsbereite Endlager (oberflächennah für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle; tiefe geologische Endlager für hoch radioaktive Abfälle und abgebrannte Brennelemente bis 2050) sollen vorhanden sein, um die Ausfuhr radioaktiver Abfälle zur Entsorgung in Drittländern zu vermeiden.

  • Detaillierte technische Bewertungskriterien sind in der Verordnung angeführt. Diese werden regelmäßig überprüft und adaptiert, um aktuelle technische Entwicklungen abzubilden.

Im Zuge dieser Erweiterung der Taxonomie-Verordnung wurden auch besondere Offenlegungspflichten eingeführt. Demnach müssen Finanz- und Nicht-Finanzunternehmen nun den Anteil der Investitionen in Gas- und Nukleartätigkeiten offenlegen, damit ein besonders hohes Maß an Transparenz gewährleistet werden kann und Anleger informierte Investitionsentscheidungen treffen können.

Mag.a Magdalena Quell
Produkt- und Projektmanagerin bei der Raiffeisen KAG

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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